Universität Gießen präsentiert sich vielfältig
Prof. Dr. Andreas Gattinger ist wissenschaftlicher Leiter des Lehr- und Versuchsbetriebs Gladbacherhof und hat an der Justus-Liebig-Universität Gießen die Professur für Ökologischen Landbau mit dem Schwerpunkt nachhaltige Bodennutzung inne. Im Interview sagt er, welche Aktivitäten die Uni auf den Öko-Feldtagen plant.
Noch 3 Monate bis zu den Öko-Feldtagen auf dem Gladbacherhof am 28. bis 30. Juni. Wie gliedern Sie derzeit laufende Projekte der Uni in die dreitägige Veranstaltung ein?
Gattinger: Klima ist nicht nur ein Schwerpunktthema auf den Öko-Feldtagen sondern auch meines Fachgebietes. Daher werden wir hier einen Fokus setzen und alle laufenden Projekte zu den Klimawirkungen in der Tierhaltung und im Pflanzenbau zeigen. Es geht zudem auch um die Züchtung trockentoleranter Sorten, die Wasserfrage und Nitrat. Wir wollen beispielsweise in zwei Feldversuchen live demonstrieren, wie Treibhausgasemissionen im Feld gemessen werden und wie ökologische Praktiken zur Emissionsminderung beitragen können. Dabei ist es uns wichtig, die Dinge so aufzubereiten, dass auch konventionell wirtschaftende Betriebe von diesen Erkenntnissen profitieren können. Beispielhaft möchte ich hier das EIP-Projekt “Wirtschaftlicher Gemüsebau in naturnahen Mulchsystemen“ (Mulchgemüse) nennen. Ziel des Vorhabens ist es, einen klimaresilienten Gemüseanbau in Ackerfruchtfolgen zu integrieren, um so in Regionen mit niedrigem Gemüse-Selbstversorgungsgrad mehr Vielfalt anzubieten.
Außerdem werden sich auch weitere Fachgebiete und Professuren des Fachbereichs 09 Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement der Uni Gießen verteilt auf zwei Zelte und in mehreren Freilandaktivitäten präsentieren und dabei auch die vielfältigen Studienmöglichkeiten an der Uni aufzeigen.
Sie zeigen auch, wie Agroforst und integrierte Tier-Pflanzen-Systeme zum Klimaschutz beitragen.
Gattinger: Ja. Wir zeigen unsere Forschungsaktivitäten in diesen Bereichen sowie die sich daraus ergebenden vielfältigen Möglichkeiten, zum Klimaschutz und zur Verbesserung der Stabilität von Agrarsystemen beizutragen. Gerade die flächengebundene Tierhaltung und die geschickte Verzahnung von Pflanzenbau und Tierhaltung birgt enorme Potenziale hinsichtlich der Ertragsstabilität, Risikominimierung und Ressourcenschutz. Diese Themen werden wir nicht nur bei den Feldrundgängen behandeln, sondern auch in parallellaufenden Vorträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen aufgreifen und vertiefen.
Und starten mit dem großen Projekt Green Dairy.
Gattinger: Ja, hier untersuchen wir die komplexen Wirkungen von ökologischer High- und Low-Input Milchproduktion auf Tier, Pflanze und Umwelt sowie die Akzeptanz seitens der Gesellschaft. Das Kernexperiment Tier spielt sich dabei in dem neuen Forschungsstall für vergleichende Milchproduktionssysteme ab. Die Außenhülle des neuen Stalls für zwei Herden von jeweils 64 Kühen steht mittlerweile. Die Arbeiten an den Inneneinrichtungen, wie Installation der Gruppenabtrennungen, Strom, Wasser sowie Melk- und Fütterungsrobotik laufen auf Hochtouren. In diesem Projekt, das im Rahmen des Hessischen Exzellenzprogramms LOEWE gefördert wird (Laufzeit: 2022-2025) untersuchen wir wichtige Fragen zur Zukunft der Nutztierhaltung und zur Nutzungsintensität von Ressourcen in ökologischen Agrarsystemen. Das Ganze gliedert sich in 14 Projektbereiche und seit Jahresbeginn haben 14 neue Mitarbeiter*innen ihre Forschungstätigkeiten aufgenommen.
Die Planung der Öko-Feldtage erfordert viel Energie. Mit welchem Gewinn für die Universität und für die Hessische Staatsdomäne Gladbacherhof?
Gattinger: Das ist wirklich ein großer Kraftakt: zum Beispiel, die Ausstellungflächen in das stringente Fruchtfolgekonzept einzuplanen. Neben den Öko-Feldtagen stemmen wir als Team noch die täglichen Herausforderungen eines forschungsintensiven, aber auch wirtschaftlich orientierten Lehr- und Versuchsbetriebs.
Das Ganze bietet jedoch auch vielfältige Chancen. Uns ist es wichtig, am Fachbereich und an der Uni Gießen, die Agrarwissenschaften als Systemwissenschaft weiter zu entwickeln. Die Öko-Feldtage bieten hierfür eine hervorragende Möglichkeit, dies mit den beiden eng verzahnten Produktionsbereichen Tierhaltung und Pflanzenbau auf dem Gladbacherhof zu zeigen und zu diskutieren. In vielen Maßnahmen zu einer klimafreundlichen und resilienten Landwirtschaft steckt so viel Innovationskraft. Diese Kraft stammt in vielen Fällen aus der Praxis und kann zusammen mit den Hochschulen weiterentwickelt werden. Wir wollen zeigen, dass die agrarwissenschaftliche Forschung und Lehre bei uns eine Vielzahl von Disziplinen vereinigt und keiner Elfenbeinturm-Mentalität folgt.
Wie bringen die Studierenden sich in die Veranstaltung mit ein?
Gattinger: Zum einen unterstützen uns circa 100 Studierende vor Ort in der Organisation, bei der Verpflegung und im Versuchswesen. Zum anderen werden auch studentische Projekte und Abschlussarbeiten zu den Inhalten rund um das Schwerpunktthema Klima beitragen. Studierende aus den Modulen „Agroforstsysteme“, sowie „Nachhaltige Agrarsysteme“, haben im Wintersemester Poster zu entsprechenden Themen erstellt, die auf den Öko-Feldtagen ausgestellt werden. Nachhaltige Agrarsysteme, darunter auch die Agroforstwirtschaft, sind eng mit dem Thema Klima verbunden, sei es, weil sie klimaresiliente Alternativen zu klassischer Landwirtschaft anbieten, als auch einen Beitrag zur Emissionsminderung leisten können. Die Studierenden werden schon früh im Studium mit dieser Verzahnung der Themen Landwirtschaft und Klima vertraut gemacht und haben auf den Öko-Feldtagen die Gelegenheit, ihr erarbeitetes Wissen an Interessierte weiterzugeben.
Der Fachbereich 09 mit Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement bietet auch ein Forum an. Mit welchem Inhalt?
Gattinger: Wir bieten ein Forum mit Themen wie Landwirtschaft im Klimawandel sowie alternative Tierhaltungssysteme an. Das hochaktuelle und stark umstrittene Thema Wolf wird in Fachbeiträgen und mit einer Diskussionsrunde behandelt. Einen ganzen Tag lang steht der Themenkomplex regenerative Landwirtschaft und Agroforstsysteme aus unterschiedlichen Blickwinkeln im Fokus. Zudem gibt es einen Block zu den Themen nachhaltige Ernährung und zukünftige Ernährungssysteme. Wir müssen unseren Blickwinkel von der reinen Landwirtschaft auf Ernährungssysteme erweitern, um zukunftsfähige Alternativen für landwirtschaftliche Produktion zu entwickeln.